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aus dem Seelsorgeraum

Foto von Maria Margreiter
Fensterbild der hl. Cäcilia in Telfes

Mein Lied ist der Herr -  Kirchenmusik im Seelsorgeraum Stubai

Demütige Anbetung und hochjauchzender Lobgesang, Ausdruck von Trauer, Freude oder Besinnung und Meditation - das alles ist Inhalt geistlicher und liturgischer Musik. 

Seit Hunderten von Jahren hat sich manches bewahrt, manches verändert, manches ist neu hinzugekommen, manches wurde vergessen. Wir haben einen reichen Schatz und ein edles Instrument für die Musikpflege in unseren kirchlichen Feiern. Im folgenden Beitrag wird ein Blick auf die Entstehung geworfen. 

Im Österreichischen Musiklexikon online wird „Katholische Kirchenmusik“ als „ein Oberbegriff mit komplizierter Entstehungs- und Verwendungsgeschichte, welcher mehrere Erscheinungsformen der Musik von christlichen Kirchen benennt“ definiert. Dabei wird „liturgische Musik“ als Bestandteil des Gottesdienstes mit starkem Bezug zu Vorgaben der Texte (wie etwa in der Form „Messe“ mit Kyrie, Gloria, Credo, Sanctus, Benedictus, Agnus Dei) angesehen.  

 

Singen zur Liturgie – ein Urbedürfnis

Das Singen im Gottesdienst ist für uns etwas Geläufiges, wir pflegen den gemeinsamen Gesang bei vielen Anlässen, auch in Kombinationen, etwa im Wechsel mit Chören oder zu verschiedenen Instrumentalbegleitungen. Religiöse Feiern werden durch Musik bereichert und intensiviert, nicht nur im christlichen Gottesdienst.

Der Apostel Paulus schrieb an die frühchristlichen Gemeinden in Ephesos und Kolossai: „Lasst in eurer Mitte Psalmen, Hymnen und Lieder erklingen, wie der Geist sie eingibt. Singt und jubelt aus vollem Herzen zum Lob des Herrn!“ und „Singt Gott in eurem Herzen Psalmen, Hymnen und Lieder, wie sie der Geist eingibt, denn ihr seid in Gottes Gnade“ (vgl. Eph 5,19, Kol 3,16). Daraus lässt sich schon von Anbeginn die Bedeutung des Gesanges für die Liturgie ableiten. Im Neuen Testament sind auch Hymnen und liturgische Stücke aus dem Gottesdienst der frühen christlichen Gemeinden überliefert, etwa das Magnificat (Lk 1,46–55).

Am Beginn liturgischen Musizierens standen vermutlich einfache Melodien, meist solistisch vorgetragen. Am Ende des 4. Jahrhunderts begann die Gemeinde mit einfachen, kurzen Gesängen auf die solistischen Gesänge zu antworten (Responsorien). Mit der Entstehung von Mönchsorden gab es während der Gottesdienste viele Sänger, die die Psalmen auswendig kannten, so dass diese sich in zwei Chöre aufteilen konnten und abwechselnd sangen. Papst Gregor der Große (+604) förderte dann die Vereinheitlichung und Überlieferung des Gesanges, er gründete dazu eine Choralschule in Rom. 

 

Vom Choral zur Mehrstimmigkeit

Der einstimmige Choral wurde ab dem 9. Jahrhundert mit Zeichen für die musikalische Umsetzung (Neumen) versehen, sodass die Melodien überliefert werden konnten, ohne allerdings die rhythmische Abfolge festzulegen. Bis zum heutigen Tag wird der Choralgesang als der ursprüngliche Gesang der Kirche angesehen und verschiedentlich gepflegt.

Im Laufe des Mittelalters verdrängte die Mehrstimmigkeit immer mehr den einstimmigen Choralgesang. Vom zweistimmigen Gesang bis zum kunstvollen vielstimmigen Satz in der Renaissance entwickelte sich eine erste Hochblüte, die auch mit der weltlichen Musik in Austausch trat. Die kunstvolleren Formen waren den Chören vorbehalten, was zu großartigen Kompositionen von Kirchenmusik für mehrere Chöre in der Renaissance in Oberitalien führte (Gabrieli). In den Kirchen richtete man entsprechende Emporen ein, um diese Musik bestmöglich zu verwirklichen. Instrumente unterstützen und ergänzten schon seit dem späten Mittelalter den Gesang.

 

Blütezeit figurierter Kirchenmusik

Prachtentfaltung ist ein Merkmal der Barockzeit, was in der Musik in gleicher Weise hörbar wurde wie in den Bauwerken sichtbar. Alle Mittel waren für das Lob Gottes einzusetzen, was den Umfang der Werke und die Besetzungen immer mehr vergrößerte. So entstanden Werke, die heute wohl niemand mehr für den liturgischen Gebrauch ansehen würde.

Die Musikepoche der Wiener Klassik, die einher ging mit aufklärerischen Ideen, brachte einerseits Regulierungen (Mozart beklagte sich, dass seine Messekompositionen für den Erzbischof äußerst kurz sein sollten, damit die Gesamtlänge der Messe nicht mehr als eine Stunde betrage – bemerkenswert für den heutigen Gebrauch seiner Messen!) Andererseits entstand eine sehr ins Ohr und zu Herzen gehende Sakralmusik, die sich weit verbreitete und bis heute einen beliebten Grundbestand von hoher Qualität bildet. 

Im 19. Jahrhundert nahm der Cäcilianismus, eine Reformbewegung gegen das „Unkirchliche“ in der Kirchenmusik, Einfluss. Es wurde eine Rückkehr zur Schlichtheit im Stile der Frühzeit gefordert, im so genannten „Palestrina-Stil“ (a-capella-Vokalpolyphonie). In unserem Tal wurden um 1880 die Cäcilien-Vereine aktiv und den Kirchenchören ein neues Repertoire vorgegeben, wie ein Repertorium der Pfarrkirche Telfes aus dem Jahre 1888 eindrucksvoll bestätigt (vermutlich für den neu einstehenden Schul- und Chorleiter angelegt) - siehe Abbildung. Damit war für lange Zeit die Klang- und Formenwelt der liturgischen Musik geprägt. 

 

Pflege der Kirchenmusik nach dem Vatikanum II (1962 - 1965)

Die Musik zur Liturgie erfuhr durch das Konzil wesentliche Impulse. Die Kirchenmusik wurde als Aufgabe der gesamten Gottesdienstgemeinde festgelegt, als Ausdruck ihrer bewussten und vollen inneren wie äußeren Teilnahme. Das Vatikanum legte aber auch fest: Der Kirchenchor ist eine auf die Musik spezialisierte Gruppe. Der Gemeindegesang (Kirchenlied, Wechselgesänge, Hymnen, …) in der Volkssprache stellt keinen Ersatz für das Fehlen des Chores dar, sondern ist die Basis aller liturgischen Musik.

Dabei konnte man auch auf Entwicklungen in der evangelischen Kirche schauen, die, von Martin Luther ausgehend, den Gesang in der religiösen Feier als etwas sehr Wichtiges ansah. Gesangbücher für die Gemeinde waren schon im 18. Jahrhundert aufgelegt worden, aber erst im letzten Jahrhundert zum Allgemeingut. Zunächst als diözesane Gesangbücher, besitzen wir heute überregional gültige Gesangbücher.

 

Unsere Kirchenmusik in einer Zeit der Vielfalt

Musik zur Liturgie kann heute mit verschiedensten Mitteln umgesetzt werden. Sie sollte lediglich den Anspruch, liturgische Musik zu sein, erfüllen. Der orgelbegleitete Gemeindegesang, Kantor*innen, Gesangsgruppen, Chöre mit und ohne Instrumentalbegleitung, das „neue geistliche Lied“, das Gesangbuch Gotteslob mit seinem umfangreichen Repertoire, das alles bildet die Musik zum Gottesdienst. Vor allem die Beteiligung der Gemeinde ist ein fester Bestandteil der liturgischen Musik. Auch unsere Musikkapellen, deren Repertoire längst über die um 1930 erstmals aufgelegten Messgesänge von Schubert und Haydn hinausgeht, leisten einen wichtigen Beitrag.

Wie schon eingangs erwähnt, ist die Musik im Gottesdienst ein wertvolles Gut, das Beachtung und Gediegenheit, Pflege und Wissen verdient. Es ist schön, dass es viele Menschen in unserem Seelsorgeraum gibt, die sich dieser Aufgabe widmen und ihr Können der Gemeinschaft und dem Lob Gottes widmen. Ihnen ist respektvoll zu danken, ebenso wie allen Mitfeiernden, die ihre Stimme erheben und sich in den gemeinschaftlichen Gesang einbringen. So kann die doch eher zu Textlastigkeit neigende Liturgie eine lebendige und auch emotionale Feier werden. Freuen wir uns über schöne Momente des Singens, des Hörens, der Gemeinschaft in der Musik einer liturgischen Feier.

Josef Wetzinger